Beispiel: Depression

Depressive Stimmungslagen sind häufig eine Reaktion auf ein belastendes Verlustereignis. Dies kann vielfältige Zusammenhänge haben: Trennung vom Partner, Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der körperlichen Unversehrtheit durch Krankheit, aber auch weniger offensichtliche Verluste, wie Aufgeben-Müssen von nicht oder nicht mehr erfüllbaren Wünschen. Menschen, deren Selbstwertgefühl nicht vorgeschädigt ist, können über diese lebensgeschichtlichen Ereignisse Trauer empfinden, d.h. sie trauern, ohne depressiv zu werden. Wenn jedoch die gefühlsmäßige Einschätzung des eigenen Wertes als Person nicht ausreichend stabil ist, kommt es durch die genannten Verlusterlebnisse zu einer gefühlshaften Verunsicherung und Destabilisierung. Man steht sich selbst im Weg, ist sich selbst nicht mehr gut usw.

Depressionsgefährdete Menschen haben auch, bedingt durch eine spezifische Erziehung, nicht lernen können, Ärger und Wut angemessen auszudrücken. Sie unterdrücken solche Empfindungen oft. Dies setzt die Kraft, mit Verlusterlebnissen fertig zu werden, weiter herab. Was folgt, sind oft Vorwürfe gegen sich selbst und weitere Herabsetzungen des eigenen inneren Wertes. Psychoanalytiker sprechen hier von der Wendung gegen das eigene Selbst. Das ist der zentrale Baustein jeder Depression. Im unbewussten Erleben während einer Depression zeigen sich Reaktivierungen und Reaktualisierungen von längst vergangenen, belastenden Beziehungserfahrungen meist aus der Kindheit. In diesen wurde man im Stich gelassen anstatt Tröstung, Zuspruch und Rückenstärkung zu erfahren. Auch hier wird sozusagen eine alte Bühne neu eröffnet, trotz einer ganz anderen Situation.

 

Vorgehen in der Therapie: Auch zur Behandlung der Depression ist es wichtig, die alten Erfahrungen zu erinnern und in der Therapie durchzuarbeiten, damit es gelingt, eingefahrene Muster zu durchbrechen. Ohne dieses tiefere Verstehen läßt man in der heutigen Situation sich nicht selten selbst so im Stich, wie es die Bezugspersonen in der Kindheit getan haben. In der psychoanalytischen Therapie ist die Beziehung zum Therapeuten bedeutsam und hilfreich, weil sich hier vieles zeigt, was man an Kontaktschwierigkeiten mit anderen Menschen und auch zu sich selbst hat. Im geschützten Bereich der therapeutischen Beziehung wird dies dann ansprech- und bearbeitbar, wodurch man im Fall des Gelingens eine neue Beziehungserfahrung im Hier und Jetzt machen kann. Dies wirkt sich unmittelbar günstig und regenerierend auf das beschädigte Selbstwertgefühl aus, verringert Selbstvorwürfe und Selbsthass und baut eine innere Klarheit mit dem Gefühl neuer Kraft auf.